Wie die „kalten Progression“ abgeschafft werden soll

Zur Abfederung der derzeitigen Preissteigerungen in vielen Wirtschafts- und Lebensbereichen wurde vom Gesetzgeber im Rahmen des Teuerungs-Entlastungspakets Teil II nun auch die Abschaffung der  „kalten Progression“ in Angriff genommen und im Juli ein diesbezüglicher Gesetzesentwurf zur Begutachtung versandt, der im September beschlossen wurde.

Nachfolgend werden die näheren Details der neuen Regelungen im Überblick dargestellt.

Was ist die „kalte Progression“?

Als kalte Progression bezeichnet man die Erhöhung der Steuerlast, die auf die fehlende Inflationsanpassung des Steuersystems zurückzuführen ist. Werden in einem progressiven Steuersystem die nominalen Beträge (Einkommensgrenzen, Frei- und Absetzbeträge) nicht fortlaufend an die Inflation angepasst, steigt die durchschnittliche Steuerbelastung einer Person auch ohne explizite Steuererhöhungen allein aufgrund der Anpassung ihres Einkommens an die Inflation, auch wenn ihr reales Bruttoeinkommen konstant bleibt.

Wie die Maßnahmen aussehen

Dem österreichischen Einkommensteuergesetz lag bisher ausschließlich das  „Nominalwertprinzip“ zu Grunde, wonach für die Einkommensbesteuerung nur der zahlenmäßige, nicht aber der tatsächliche Geldwert maßgebend ist. Im Falle von Preissteigerungen entspricht der nominelle Einkommenszuwachs jedoch nicht dem realen Einkommenszuwachs. Der progressive Einkommensteuertarif führt im Zeitverlauf zum Effekt der „kalten Progression“, da die Schwellenwerte des progressiven Steuertarifs nicht an die Preissteigerungsrate angepasst wurden. Mit den Änderungen im EStG werden diese Schwellenwerte mit Wirkung ab dem Jahr 2023 jährlich an die Inflationsrate (Teuerungsrate) angepasst und damit der „kalten Progression“ begegnet werden.

Im Einzelnen betrifft dies:

  • die Grenzbeträge der jeweiligen Progressionsstufen ( § 33 Abs 1 EStG), die für die Anwendung der Steuersätze für Einkommensbestandteile bis € 1 Mio maßgebend sind (Einkommensbestandteile, die der höchsten Tarifstufe von 55 % unterliegen, sollen nicht entlastet werden);
  • der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag sowie der Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 EStG),
  • der Verkehrsabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag und der Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs 5 Z 1 bis 3 EStG),
  • der Pensionistenabsetzbetrag (§ 33 Abs 6 EStG),
  • die Erstattung des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages sowie die SV-Rückerstattung und der SV-Bonus (§ 33 Abs 8 EStG)

Das maßgebliche Volumen für die Inflationsanpassung, das sich – vereinfacht ausgedrückt – aus der Differenz des Einkommensteueraufkommens mit und ohne Inflationsabgeltung ergibt soll jährlich durch einen wissenschaftlichen „Progressionsbericht“ festgestellt werden.

Die Inflationsanpassung wird dann durch zwei sich ergänzende Maßnahmen umgesetzt, nämlich durch eine

  • automatische Anpassung der relevanten Tarifgrenzen im Ausmaß von zwei Drittel der Inflation sowie einem
  • jährlichen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung über die Verwendung des restlichen Drittels, worin entsprechende Entlastungsmaßnahmen für Bezieher von Einkünften enthalten sind.

Als maßgebende Inflationsrate wird der durchschnittliche Wert der Inflationsrate (Basis VPI, veröffentlicht von der Statistik Austria) vom Juli des vergangenen Jahres bis zum Juni des laufenden Jahres herangezogen. Die Anpassung gilt ab dem Folgejahr. Basierend auf den VPI-Werten von Juli 2021 bis Juni 2022 beträgt die im Jahr 2023 auszugleichende Inflation 5,2%. Davon werden 2/3 für die automatische Anpassung der relevanten Tarifgrenzen wirksam, somit 3,5%. Das für eine zusätzliche Abgeltung vorgesehene Restvolumen für 2023 beläuft sich auf € 617 Mio. 

Das Gesetz sieht derzeit keine Inflationsanpassung für den Kinderabsetzbetrag, den Familienbonus Plus, den Pendlereuro und den Kindermehrbetrag vor.

Die neuen Bestimmungen werden grundsätzlich ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023 (bzw bei Lohnsteuerpflichtigen für Lohnzahlungszeiträume ab 1.1.2023) gelten.

Rechenbeispiel des Ministeriums

Anhand konkreter Beispiele soll die geplante Entlastung sichtbar werden: So profitiert etwa eine Pensionistin mit einer Durchschnitts-Pension von 1.582 Euro brutto monatlich durch die Abschaffung der Kalten Progression im nächsten Jahr mit 371 Euro, bis 2026 in Summe mit mehr als 3.700 Euro. Ein Arbeitnehmer mit einem Medianeinkommen von 3.171 Euro brutto profitiert kommendes Jahr mit 391 Euro, bis 2026 sind es mehr als 4.100 Euro, die er durch die Abschaffung der Kalten Progression spart.

Indexierung von Sozialleistungen

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Inflationsraten ist auch die Indexierung von Sozialleistungen geplant (Begutachtunsentwurf „Teuerungs-Entlastungspaket Teil III“). Ab 1.1.2023 sollen unter anderem Krankengeld, Umschulungsgeld, Studienbeihilfe (bereits ab 1.9.2023), Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe, Mehrkindzuschlag und Kinderabsetzbetrag valorisiert werden. Für die Aufwertung wird der der Anpassungsfaktor für die gesetzlichen Pensionen gemäß § 108f ASVG herangezogen (durchschnittliche Erhöhung der Verbraucherpreise der Monate August des Vorjahres bis zum Juli des laufenden Jahres).

 

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